Wann ist ein HIV-positiver Mann ein Mann? (Auszug)

Mannsein als Konstrukt

Ich war schwach, ich war angeschlagen, ich war abhängig vom Staat und von Medikamenten. Ich war nicht imstande, ohne fremde Hilfe zu überleben. Dazu kam die Furcht vor Sex – das Gefühl, toxisch zu sein und als sexuell gefährlich wahrgenommen zu werden. Mein Selbstbewusstsein war in tausend Einzelteile zerfallen, eine dunkle Ohnmacht hatte sich in mir breitgemacht. Meine Vorstellung vom Mannsein war implodiert. Klar, meine frühere Definition hatte auch einem allzu bekannten Klischee entsprochen: der rauchende, trinkende Künstler, der um die Welt reist, um Abenteuer und Frauen zu suchen. Zu arrogant und zu cool für den Mainstream.

Und während ich diese Rolle liebte, hasste ich die anderen männlichen Klischees leidenschaftlich. Fitnesscenter, Fussball, Autos und Motorräder waren für mich lächerliche Beschäftigungen. Meine Bilder von Männlichkeit kamen aus der Literatur, nicht aus Männer-Magazinen. Ich suchte mein Testosteron in Zitaten von Kundera oder Henry Miller – nicht in albernen Artikeln wie «So bekommst du die Muskeln, die du schon immer haben wolltest». Immer wieder sah ich, dass es gerade die Männer mit den grössten Muskeln, den zerzausten Hipster-Bärten, den Man Buns und den meisten Tattoos waren, die vor echten Abenteuern flohen, einzig vor der Kamera gross posierten und nach Likes süchtig waren. Ich belächelte diese Instagram-Gestalten, die ihre Männlichkeit in Klischees inszenierten. Während sie auf Bali Yoga-Selfies schossen, trank ich mit Maoisten-Rebellen in illegalen Bars in Kathmandu Schnaps. Zumindest konnte ich der Oberflächlichkeit meine eigenen Männlichkeits-Klischees entgegenhalten.

 

(Aufgrund von baldigen Veröffentlichungen und Pitch-Prozessen, kann ich nur einen kleinen Auszug des Texts hier bringen.)